Wir haben einen neuen deutschen NBA-Champion.
Ich habe ein paar Tage Abstand gebraucht, um diese Zeilen verfassen zu können und meine Gedanken zu ordnen.
Zu viel ist in dieser Finals-Serie zwischen den Indiana Pacers und den OKC Thunder passiert, das man so nicht hat kommen sehen — und dessen Ausmaß, was es mit mir gemacht hat und wie es meine Liebe zum Basketball noch tiefer hat wachsen lassen.
Folgende Zeilen sollen, kein Schulternklopfen meinerseits sein, sondern ein Drauf-Aufmerksam-Machen, wo wir mit dem deutschen NBA-Journalismus stehen und welche Hürden uns Frauen im Sportjournalismus oftmals im Wege stehen.
Ich bin die erste deutsche Frau, die NBA-Journalismus vor Ort in den USA ausübt. Habe vor vier Jahren begonnen und seit drei Jahren akkreditiert, mit einem Outlet im Rücken. Ich habe es nicht hier her geschafft, durch Vitamin B von außen oder finanzielle Unterstützung vom Outlet, sondern durch Überzeugung und harte Arbeit — dass sich meine Eigeninitiative und mein eigener finanzieller Invest, egal ob es sich irgendwann finanziell auszahlen wird, lohnt, nur um die Chance zu haben, über den Sport zu berichten, den ich so liebe und der mich geformt und getragen hat.
Und was soll ich sagen: Wenn du die erste deutsche Stimme bist, die Isaiah Hartenstein fragen darf, was es ihm bedeutet, der zweite Deutsche nach Dirk Nowitzki zu sein, der NBA-Champion wird — dann hat sich jede schlaflose Nacht, jeder Euro, jede sexistische Aussage à la „Man ist nur hier, weil man eine Quotenfrau ist“, jede respektlose Nachricht, egal ob offen oder hinter den Kulissen, die einen immer wieder versuchen, wie ein Pfeil zu treffen, gelohnt, weiterzumachen.
Das hier soll auch kein Abrechnen sein, sondern eine Realität, in der ich jeden Tag lebe. Mein Leben ist zu 100 Prozent diesem Sport ausgerichtet, damit ich diese Zeilen hier schreiben kann. Und dafür bin ich jeden Tag aufs Neue dankbar. Dass auf der einen Seite die großen Berge ein Teil davon sind, diese zu überwinden gilt, aber auch auf der anderen Seite, all diese wundervollen Menschen, wie ihr es seid, die meine Artikel lesen und meine Berichte wertschätzen — und es mir ermöglicht haben, dass ich diese unglaublich starke Pacers-vs.-OKC-Serie begleiten durfte.
19.06.2025 – Indiana Game 6
Kaum einer hat überhaupt geglaubt, dass es ein Game 6 geben wird. Und wenn, dann sicher nicht ein Blowout seitens der Pacers mit phasenweise plus 30 Punkten. Wir sehen ein Pacers-Team, das immer wieder einen Weg findet, die Stärken der Thunder im richtigen Moment auszuhebeln. Eine harte Defensive, die um jede Position kämpft, getragen von einem Meer aus Stimmen der Indiana-Fans, die dir regelmäßig eine Gänsehaut verpassen. Immer wenn ich glaubte, mehr kann man von einer Fanbase nicht erwarten, sollte ich eines Besseren belehrt werden.
Die Straßen wieder so überflutet von Tanz und Gesang, dass man es gar nicht erst probieren muss, ein Uber zu rufen. Spätestens jetzt hat keiner mehr Zweifel, dass die Pacers auf Augenhöhe mit den Thunder stehen.
Wir bekommen ein Game 7 — erst das 20. Game 7 in der NBA-History und das nach neun Jahren, zuletzt 2016.
Was ein Game 7 bedeutet, sollte ich erst in der Tiefe begreifen, als ich mich am Morgen auf das Spiel vorbereitete. Du kannst viel von außen reden und spekulieren, aber richtig verstehen tust du es erst, wenn du mittendrin stehst und diese zweieinhalb Wochen der Finals mitgereist bist. All die Nächte mit kaum Schlaf, Koffer auf, Koffer zu. Jede noch so kleine Geschichte. Die Spieler, denen du sonst in der Regular Season nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt hast — und jetzt hast du die Zeit, dich viel tiefer mit jedem Einzelnen zu beschäftigen. All die bewegenden Geschichten, die hinter jedem einzelnen Spieler stehen, die ihn dahin gebracht haben, dass er diese Finals bestreiten darf. Gefüllt mit all diesen Erlebnissen stehst du vor Game 7 — wissend, dass eines dieser beiden Teams, das dir in diesen 17 Tagen so ans Herz gewachsen ist, die Trophäe nach oben reißen wird, und eines als Verlierer nach Hause geht. Erst die Preseason, dann 82 Regular-Season-Games, 16 Playoff-Games und 7 Finals-Games. Acht Monate später — und nur ein Gewinner. All mein Respekt an jeden Spieler — welche mentale Stärke es braucht, um auch noch in Game 7 abzuliefern, hat mich an diesem besagten Morgen erst so richtig getroffen. Voller Vorfreude traf ich drei Stunden vor Tip-Off im Paycom Center ein. Die Stimmung sollte unübertroffen bleiben. Bis zu dem Zeitpunkt, der uns alle in eine Schockstarre versetzen sollte.
Nach gerade mal sieben gespielten Minuten und schon neun erzielten Punkten, durch drei von vier versenkten Dreiern, einen Haliburton, der unhaltbar erscheint und das Unmögliche auf einmal so greifbar nahe schien — Pacers in 7 — doch dann der Moment, den man niemandem wünscht: Hali setzt zum Drive an. Der gleiche Bewegungsablauf, wie wir ihn schon als Auslöser der Achillessehnenverletzungen gesehen haben — wie bei Damian Lillard und Jayson Tatum. Binnen Sekunden war eigentlich jedem klar, was passiert ist. Die Halle verstummte. Die Pacers sammelten sich schützend im Kreis um Tyrese. In dem Moment musste ich mir meine Tränen verdrücken. Du hast so hart gekämpft, um hier stehen zu können — und so soll es ein Ende nehmen? Sofort fühlte ich mich zurückversetzt ins Jahr 2019, Game 5 der Finals Warriors vs. Raptors, als sich KD auch die Achillessehne riss.
Nach der Timeout erweckte es tatsächlich eher den Eindruck, dass OKC sich schwerer tat, wieder zurück ins Spiel zu finden.
Durch T.J. McConnell, den kleinsten Spieler auf dem Feld, der zum größten X-Factor wurde, konnten sich die Pacers weiter im game halten. Sein Kampfgeist — alles zu geben, egal ob Scoring, Assist, Rebound, Steal oder Block. Auch ein Pascal Siakam, der noch immer zu wenig Respekt bekommt für das, was er leistet — doch am Ende sollte es nicht reichen. OKC setzt sich durch und wird verdient NBA-Champion 2024/25.
Noch nie habe ich mich so hin- und hergerissen gefühlt zwischen Freude und Trauer. Die Freude für das zweitjüngste NBA-Team der Geschichte, das es zum Titel schafft, mit einer sehr starken deutschen Beteiligung von Isaiah Hartenstein, der sogar als Starter in den Finals auflaufen durfte. Und auf der anderen Seite ein Pacers-Team, mit einer Zehn-Mann-Rotation in den Finals, mit der immer Next-Man-Up-Mentalität, dem es nicht zugetraut wurde, OKC ein ebenbürtiges Gegenüber sein zu können.
Diese Serie steht für die Einleitung einer neuen Ära: keine Big-Three-Superstar-Teams mehr, sondern Teams, die für Team-Basketball stehen, toughe Defense, Next-Man-Up und eine größere Spieler-Rotation in den Finals. Entwicklung von Spielern aus den eigenen Reihen und nicht einfach nur das Einkaufen von Starspielern.
Mit all den Emotionen machte ich mich auf den Weg nach unten zur Post-Game coverage.
Auf meinem Weg, realisierte ich so langsam, wovon ich gerade ein Teil sein durfte. Ich konnte es kaum abwarten, Isaiah zu sehen und ihn zu fragen, wie es ihm geht. Es ist schon verrückt, was einem das bedeutet, obwohl man selber nicht auf dem Feld stand.
Wir mussten noch einige Minuten vor dem Locker Room warten, bis wir endlich rein durften. Ich war gespannt zu erleben, wie es hier in OKC sein wird, nachdem ich den ersten Championship der Nuggets und den 18. Titel der Celtics begleiten durfte. Was ich bisher von OKC gelernt habe, war ja, wie sehr sie ihre Spieler schützen und man nur sehr limitierten Zugang erhält. Was sich auch hier wie ein roter Faden weiterführen sollte.
Bis wir im Locker Room waren, war das Größte schon rum — so schade es auf der einen Seite ist, weil man gerne noch mehr besondere Momente einfangen möchte, so sehr freut es mich für das Team und die Spieler, dass sie diesen Moment ganz ungestört erleben dürfen, ohne Angst haben zu müssen, was am Ende von der Presse daraus gemacht wird. Wir trafen noch Lu Dort an, der uns ein paar Fragen beantwortete, bevor auch er vom PR-Team zum Podium dirigiert wurde. Auf meiner Suche nach Isaiah traf ich Chet auf dem Court, den ich noch fragte, was es ihm bedeutet, so vielen Menschen das Gegenteil beweisen zu können, die immer sagen, es braucht einige Jahre des Verlierens und Erfahrung, um einen Titel gewinnen zu können — und man jetzt das zweitjüngste Team in NBA-History ist.
„Spielt keine Rolle,” so Chet. “Morgen finden sie wieder was Neues, worüber sie reden können. Heute feiern wir, ab morgen wird wieder gearbeitet.“
Womit er wahrscheinlich recht hat. Sind wir gespannt, was die neue Season bringt. Weiter ging meine Suche nach Isaiah — dann endlich fand ich ihn. Die PR-Abteilung hat sich immer super darum gekümmert, dass wir als deutsche Vertretung noch genug Zeit bekommen, separat mit ihm reden zu können.
Dann war der Moment gekommen, und ich konnte Isaiah endlich fragen:
„Wie fühlt es sich an, als zweiter Deutscher nach Dirk Nowitzki, jetzt den NBA Titel gewonnen zu haben?
Isaiahs Antwort war sehr ausführlich:
„Unglaublich. Was ich in meiner Karriere durchgemacht habe, jetzt hier zu sein und das auch für Deutschland zu tun, ist sowas besonderes. Ich glaube, mit Dirk ist es immer schwer, in einem Satz erwähnt zu werden – er ist einer der Besten aller Zeiten. Aber jetzt als zweiter Deutscher einen Titel zu holen, ist etwas ganz Besonderes.
Man weiß ja nie, wann es wirklich vorbei ist. Als wir dann hoch geführt haben, dachte ich: ‚Ey, wir haben’s wirklich geschafft.‘ Es war eine lange Saison. Die Pacers waren ein starkes Team. Und es war einfach unfassbar. Ich glaube, das haben wir die ganze Saison gehört: Wir sind zu jung. In der Regular Season waren wir zu jung, in den Playoffs waren wir zu jung – und jetzt haben wir’s einfach allen bewiesen.
Das ist schon was Besonderes. Einfach dieses ‚Germany‘ zu hören, wenn du reinkommst – das ist schwer zu beschreiben. Ein Ziel von mir war immer: So vielen Jugendlichen wie möglich zu zeigen, dass es geht. Dirk hat gezeigt, du kannst es schaffen. Das ist auch einer der Gründe, warum ich in Ulm investiert habe.
„Young Isaiah“ – Er hatte so viel Selbstbewusstsein und hat geglaubt, du kannst es schaffen — aber jetzt kann ich wirklich sagen: Ich hab’s geschafft. Ich habe so viel geopfert. Meine Familie hat das gesehen, meine Mutter. Es war nur Basketball. Und dieses Selbstbewusstsein verstehen viele in Deutschland nicht. Einfach hier zu sein, ist etwas Besonderes. Und ich will einfach helfen Basketball in Deutschen weiterzuentwickeln.
Viele Deutsche denken, ich sehe mich nicht als Deutscher. Aber ich will so viel wie möglich zurückgeben. Das ist halt manchmal schwer, auch mit der Nationalmannschaft. Viele Leute wissen nicht, ich habe jetzt 105 Spiele gespielt. Aber ich will versuchen, so viel wie möglich in Deutschland zurückzugeben. Deswegen mache ich dieses iHart-Event in Ulm – damit die Leute etwas davon haben.“
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Ich hatte die Freude, mich auch mit seiner Mom, Dad und seiner Schwester unterhalten zu können. So eine tolle Familie. Deren lieben Worte und Support meiner Arbeit gegenüber, der perfekte Abschluss waren. An dieser Stelle kann ich euch auch nur ans Herz legen, am 4. August nach Ulm zum iHart-Event zu kommen, das ein Benefiz-Event ist und dessen gesamter Erlös in die Förderung des Basketballs in Deutschland investiert wird. Ich werde auf jeden Fall auch vor Ort sein.
Was bleibt sonst noch zu sagen: Eine Season geht zu Ende, für die ich nicht dankbarer sein könnte. So viele wunderbare Menschen auf meinem Weg, die es mir ermöglichen, euch weiter mit mehr Insights und Geschichten über den schönsten Sport berichten zu können. So viele Ideen entstehen, was wir nächste Season alles starten können.
So viele spannende Storylines – schaffen die Thunder nach Jahren mal wieder einen Back-to-Back-Titel? Bekommt Dennis einen neuen Vertrag bei den Pistons? Ein ganz neuer Look der Orlando Magic – schafft es Franz in der neuen Season ins All-Star-Team? Wie viel Spielzeit bekommt Tristan? Was passiert mit Maxi in L.A.?
Und dann hatten wir natürlich vor zwei Tagen den Flagg Day! Cooper Flagg bei den Mavericks! Und ich werde in Las Vegas sein und für euch die erste Summer-League-Woche begleiten. Das erste Mal für mich live Cooper – und sehr wahrscheinlich sehen wir auch wieder Bronny James auflaufen. Bleibt mir nur noch zu sagen: Dankeschön, tausend Dank an euch alle. Jede liebe Nachricht, jedes objektive Feedback. Danke auch an Len Werle, an den weltbesten Editor, den man sich wünschen kann. Danke an den Basketball, der mein Herz so mit Freude füllt, und vor allem an meine Familie, ohne die ich all das nicht leisten könnte, die mich in allem unterstützt. An das ganze NBA-PR-Team, das mir immer mit Rat und Tat zur Seite steht – und most important: an meinen Gott, meinen Savior, der mir all die Kraft gibt, die Quelle ist, aus der ich lebe, und der den Weg für mich bereitet.
Ich freu mich auf die Summer League.
Bis dahin
Euer Flight Girl