Jedes Jahr reisen wir in die USA, um unsere lange Bucketlist an NBA-Arenen zu vervollständigen.
2023 waren wir zum Beispiel im legendären United Center, wo Michael Jordan einst seine größten Triumphe feierte. Ein Jahr später folgte dann das Mekka des Basketballs – der Madison Square Garden in New York, freaking City! Ich kann mich noch genau an die Unterhaltung erinnern, als wir gemeinsam mit knapp 20.000 Knicks-Fans aus der Arena strömten und zurück in die hektischen Straßen Manhattans gingen:
„Besser kann es jetzt eigentlich nicht mehr werden.“
Zum Hintergrund: Wir saßen in den unteren Rängen, hatten eine perfekte Sicht, das Spiel gegen die Pistons endete mit einem Buzzer Beater von Josh Hart, und der andere Daniel durfte noch mit einem unterschriebenen Jersey von Latrell Sprewell nach Hause gehen. Und trotzdem stellen wir heute die gewagte These auf, dass die Fan-Experience in Oklahoma City (of all places) für NBA-Fans noch einmal eine Schippe drauflegt.
Und dafür gebe ich das Wort erst mal an Daniel Werner, der zunächst mit ein paar interessante Fakten zur Franchise in Oklahoma einsteigt, die für den durchschnittlichen NBA-Fan vielleicht noch nicht an die Oberfläche geraten sind.
Daniel Werner:
Die Paycom-Arena, Spielstätte der Thunder, liegt laut einem Ranking von Betway auf Platz 1 in der Kombination aus generellem Angebot und Durchschnittspreis in Sachen Verpflegung. Zudem sind die Thunder Fans seit Jahren unter den Top 3 der lautesten Fans der Liga, was nicht zuletzt dazu führt, dass die Paycom-Arena auf Platz 7 der besten Atmosphären in der NBA platziert wird. Man hält also mit geschichtsträchtigen NBA-Arenen wie dem United Center in Chicago, dem TD-Garden in Boston oder dem Madison Square Garden in New York mit und dass trotz ihrer noch so jungen Historie.
Bereits 2020, als die Shai-Ära noch in den Kinderschuhen steckte, hatte das renommierte Forbes Magazin die Thunder Fans auf Platz 8 der passioniertesten Sport Fans Amerikas gesetzt. Ja ihr habt richtig gelesen SPORT Fans, nicht NBA-Fans! Lediglich die Fans der Golden State Warriors konnten sich knapp vor Oklahoma an der 7 platzieren, ansonsten findet man in der Top 10 weit und breit nur NFL-Teams. Warum das so besonders ist? Normalerweise geht eine passionierte Fanbase direkt mit einer langen und erfolgreichen Historie der Franchise einher – egal bei welchem Sport in Amerika.
Man könnte also meinen, dass die NBA ordentlich Glück hatte, dass eine Franchise, die aus einer Metropole wie Seattle gerissen wird, irgendwo im nirgendwo eine solche Fanbase aufbaut. Komplett abwegig war der Move jedoch nicht. Bereits in den beiden Jahren davor fungierte Oklahoma als Heimspielstätte der New Orleans Hornets, welche aufgrund der Zerstörung von Hurricane Katrina nicht mehr zuhause spielen konnten. Und man merkte schnell: Das NBA-Team füllt in Oklahoma ein Vakuum! Sportfans aus der gesamten Region hatten endlich eine erreichbare Anlaufstelle für Ihre Passion und das konnte man direkt in den Zahlen ablesen.
Von 14200 Besuchern pro Spiel in der vorherigen Saison in New Orleans sprang man auf über 18200! David Stern, der damalige NBA Commissioner, legte sich trotz dessen erstmal fest: die Hornets gehen wieder zurück nach Louisiana! Das nur kurze Zeit später die Seattle SuperSonics an eine Investorengruppe verkauft werden, welche von einem Geschäftsmann aus Oklahoma City geführt wurde, nennt man dann wohl eine glückliche Fügung. Dieser brachte die Franchise nach gescheiterten Verhandlungen über eine neue Arena in Seattle an die jetzige Destination. Und diese war und ist in seiner noch jungen Geschichte ein voller Erfolg. Bis 2019/2020 war man Dauerbrenner in den Play-Offs. Die bisher längste „Durststrecke“ musste man in den letzten 4 Jahren hinnehmen und wird dafür jetzt mit einem Team um den potenziell nächsten MVP – Shai Gilgeous Alexander – und gefühlt 50 Draft Picks in den nächsten 5 Jahren belohnt. Und nicht zuletzt dank dieser lupenreinen Arbeit des Frontoffices schafft man nicht nur den Erfolg, sondern auch die Fanbindung zu wahren.
Diese Bindung von Fans, Stadt und Franchise erreichte im Dezember 2023 ihren Höhepunkt. Damit die Franchise auch noch bis 2050 in Oklahoma bestehen kann, brachten die Eigentümer ein Bauprojekt für eine neue Arena hervor. Diese soll aber mindestens 900 Millionen Dollar kosten! Um dies zu finanzieren, brachte die Stadt Oklahoma folgenden Vorschlag hervor: 1% mehr Sales Tax (Mehrwertsteuer) für 6 Jahre ab 2028. Mit bemerkenswerten 71% stimmten die Bürger diesem Vorschlag zu und entgegneten somit die Wertschätzung der Franchise. Für uns ganz klar: „a better love Story than twilight“. Aber nun zurück dazu, wie wir uns selbst in die Franchise verliebt haben. Also Daniel, erzähl uns doch mal die Geschichte.
Daniel Kurth:
Ich bin ehrlich: Bevor ich im Januar auf dem Highway in der Ferne zum ersten Mal die Skyline von OKC erblickte, wusste ich über die Stadt ungefähr so viel wie über Quantenphysik. Ich wusste, dass der Bundesstaat Oklahoma oft von Tornados heimgesucht wird und eine interessante Native-American-Geschichte hat. Aber ob die Stadt außerhalb der NBA-Franchise noch etwas zu bieten hat? Keine Ahnung.
Doch schon auf dem Highway entdeckten wir etwas, das uns direkt ansprach: einen riesigen Sports-Card-Store. In der Hoffnung, vielleicht eine NBA-Panini-Box mitzunehmen, kamen wir ins Gespräch mit dem Besitzer des Ladens. Er gab uns einen Tipp, der sich später als absoluter Gamechanger herausstellen sollte: Vor jedem OKC-Spiel haben Fans die Möglichkeit, Autogramme aller Thunder-Spieler zu ergattern.
Wie das Ganze funktioniert, will ich jetzt noch nicht direkt spoilern. Was wir natürlich sofort gemacht haben: Shai- und Jay-Dub-Karten gekauft, um uns für potenzielle Unterschriften vorzubereiten.
Und damit zurück zur Story: Unser Hotel hatten wir direkt Downtown im beliebten Viertel „Bricktown“ gebucht. Im Vergleich zu anderen US-Städten war die Gegend überraschend sauber. Unser 2-Sterne-Hotel, das „Holiday Inn Express“, war brandneu und das Preis-Leistungs-Verhältnis eine glatte 10/10. Für knapp 35 Dollar pro Nacht gab es morgens sogar ein ausgewogenes Frühstück – für amerikanische Hotelstandards ein echter Pluspunkt.
Nach dem morgendlichen Cream-Cheese-Bagel ging es für uns zum ersten basketballbezogenen Fan-Highlight: der moderne OKC Thunder Basketball Court, fünf Minuten mit dem Auto entfernt. Obwohl es im Januar auch mal etwas kälter in Oklahoma sein kann, wurden hier die Basketball-Herzen ganz schnell erwärmt.
Vier brandneue Hoops mit NBA-Backboards und einem rutschfesten, hellblauen Untergrund, der auch von außen einfach genial aussieht. In der Mitte der Courts findet man – wie in der NBA – jeweils ein großes OKC-Thunder-Logo. Ein absolutes Must-See für jeden Besucher der Stadt.
Nach ein paar hitzigen 1-gegen-1 Duellen ging es dann zurück ins Hotel, schnell unter die Dusche und rein ins OKC-Jersey. Da wir noch etwas Zeit (und natürlich Hunger) hatten, stießen wir auf dem Weg zur Arena auf einen weiteren Geheimtipp: das Restaurant/Sportbar Rendezvous Pizza. Hier gibt es Detroit- & New-York-Style-Pizza zu echt soliden Preisen, weshalb sich vor dem Spiel auch gerne mal ein paar Fans hier versammeln.
Gestärkt ging es anschließend in zehn Minuten zu Fuß zur Arena – für mich direkt ein Vorteil gegenüber vielen anderen NBA-Franchises, bei denen oft eine längere Uber-Fahrt zur Spielstätte unvermeidbar ist. Das Spiel war um 19 Uhr, und um 17 Uhr befanden wir uns schon vor den Türen des Paycom Centers.
Jetzt fragt man sich vielleicht: „Warum so früh?“ Um das zu beantworten, muss ich auf die Geschichte aus dem Sports Card Store zurückgreifen. Der unfassbar nette Besitzer des Ladens hatte uns empfohlen, schon 30 Minuten vor Öffnung der Arena anzustehen, um sich einen Vorteil im Rennen um die Autogramme zu verschaffen.
Was bei den Oklahoma City Thunder nämlich ganz besonders ist, ist die Nähe zu den Fans. Die Spieler wärmen sich – wie bei jeder anderen Franchise auch – vor dem Spiel auf, doch bei den Thunder können die Fans dies aus der ersten Reihe beobachten. Und damit meine ich nicht nur die Besucher, die ein Ticket für die vorderen Ränge haben, sondern wirklich ALLE. Kein Security-Guard hält sie zurück – und so bildet sich 1,5 Stunden vor dem Spiel schon eine beachtliche Kurve an Fans, die die Spieler hautnah erleben wollen.
Wir standen am Ende tatsächlich in der zweiten Reihe und konnten uns unter anderem Autogramme von Shai, Jalen Williams und unserem deutschen Center Isaiah Hartenstein sichern.
Natürlich ist es immer schön, sein Trikot signieren zu lassen, aber was die Experience bei den Thunder für mich so besonders gemacht hat, ist nicht nur die Unterschrift, sondern das familiäre Gefühl, das hierbei aufkam.
Dass die Team-Chemie bei den Thunder nach außen so positiv strahlt, liegt unter anderem daran, dass sie in einem solchen Umfeld spielen. Sie nehmen sich bei jedem Spiel Zeit für ihre Fans, und nicht aus Pflichtgefühl, oder weil es ihnen vorgeschrieben wird, sondern weil es ihnen Spaß macht und sie motiviert, noch besser zu spielen.
Nachdem dann auch wirklich jede einzelne Panini-Karte unterschrieben war, ging es für uns zu unseren tatsächlichen, zwei Stockwerke höher gelegenen Plätzen. Auf dem Weg hielt uns eine junge Frau auf, die an Fans kleine Patches verteilte, die das erste Mal im Hause der Oklahoma City Thunder zu Besuch sind.
Wer schon mal bei einem NBA-Game war, weiß, dass dies ziemlich normal ist. Doch wie wir die Thunder inzwischen kennen, hatten sie auch hier noch eine kleine Überraschung parat. Unsere Namen und Sitzplätze wurden nämlich mit der Aussage
„Don’t worry, we have a little surprise for you guys“
auf einem kleinen Zettel notiert. In unseren Köpfen gingen schon die wildesten Szenarien los:
„Kommen wir auf den Big Screen? Macht einer von uns den Halfcourt-Shot?“
Doch was uns tatsächlich erwartete, war eine Surprise Bag, die uns zu Beginn des Spiels bis zu unseren Sitzen in den Oberrängen gebracht wurde.
In der Tüte waren kleinere Fan-Artikel wie eine Trinkflasche, ein Koffer-Tag, ein Wimpel u. v. m. Für die Franchise ist das natürlich keine große Investition, aber für uns als Fans war es einfach ein Moment der Appreciation.
Und was diese Ansammlung an kleinen Fan-Momenten auslösen kann, haben wir dann auch während des Spiels gemerkt. Noch nie hatte ich so sehr das Gefühl, dass eine NBA-Arena wortwörtlich das Wohnzimmer der Heimmannschaft ist.
Jeder Spieler wurde von den Thunder-Supportern mit individuellen Sprechchören begrüßt (unser Favorit: „Luuuuuuuuu“ für Dort), und die Anhänger waren wirklich für jeden Spaß zu haben. Die Cams auf dem Big Screen sorgten für Unterhaltung, und die Lautstärke in der Halle war dauerhaft auf einem mehr als ordentlichen Level. Der Unterschied zu anderen Franchises war hier vor allem, dass von Anfang bis Ende „DEFENSE“ gerufen wurde.
Wer also der NBA vorwirft, dass die Stimmung nur halb so gut wie in Europa sei, sollte vielleicht mal über einen Trip nach Oklahoma City nachdenken. Meine Empfehlung an dieser Stelle: Ein Flug nach Dallas oder Houston und dann mit dem Mietwagen zusätzlich noch Texas erkunden.
Wie diese Experience insgesamt für uns war, würde jetzt vielleicht etwas den Rahmen sprengen. In diesem Sinne: OKC auf die 1! Und see ya!